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Aufarbeitung dauert an – Rückblick auf durch Übergriff überschattete Lesung und Antirassismus-Workshop mit Sarah Vecera

Über einen Monat ist es her, dass wir uns mit der Organisation und Veranstaltung der Lesung mit der Theologin und Autorin Sarah Vecera zu ihrem Buch „Wie ist Jesus weiß geworden – mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus“ an den Internationalen Wochen gegen Rassismus 2023 beteiligten. Bei der Lesung kam es am Ende zu einem Übergriff von einer Person aus dem Publikum, sodass die Security eingreifen musste.

Die Taborkirchgemeinde hat daraufhin folgende Stellungnahme veröffentlicht:

Stellungnahme zum Vorfall bei der Lesung mit Sarah Vecera vom 23.03.2023
Wut, Trauer und Scham!
Als Kirchgemeinde veranstalteten wir am Donnerstag den 23.03.2023 eine Buchlesung mit
Sarah Vecera. Die Buchlesung erfolgte im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen
Rassismus“.
Sarah Vecera las aus ihrem Buch „Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer
Kirche ohne Rassismus.“ Es war eine sehr gelungene Veranstaltung, die aber einen
erscheckenden Moment zum Ende hin hatte:
Ein Unbekannter (…) wollte sich erst mit Blumen bedanken (…) kam Sarah Vecera dann aber auf eine erniedrigende und
demütigende Weise nahe und schmiss die Blumen demonstrativ auf den Boden. Es war ein aggressiver Übergriff.
Die Security, die die Veranstaltung begleitete, verhinderte Schlimmeres.
Die Polizei wurde eingeschaltet.
Der Vorfall hat uns sehr getroffen und geschockt. Alle, die bei der Lesung waren, wurden
Zeugen von Diskriminierung, Aggression und Erniedrigung gegenüber unserer
Glaubensschwester und Freundin.
Das, was Sarah Vecera in unserer Kirche, in unserer Gemeinde, in unserer Gesellschaft
am Donnerstag Abend erleben musste, hat uns getroffen und geschockt. Wir empfinden
unsagbare Wut, tiefe Trauer und auch Scham!
Wir teilen mit Sarah ihren Traum von einer Kirche ohne Rassismus, ohne Diskriminierung.
Wir teilen den Traum von einer Kirche in der Achtsamkeit und Würde, Gerechtigkeit und
Gemeinschaft gelebt werden.
Aus diesem Grund veranstalteten wir die Lesung und einen Antirassismusworkshop mit
Sarah Vecera für kirchliche Mitarbeitende am Freitag (24.03.2023). Es ist nach wie vor
unsere Aufgabe gegen rassistische und diskriminierende Strukturen und Verhaltensweisen
in unserer Welt, Kirche und Gesellschaft aktiv zu werden.
Fanny Lichtenberger (Projektleiterin „Projekt-Raum-Kirche“), Dr. Sebastian Ziera (Pfarrer

Auch mehrere Medien haben sich dazu berichtet, wie die LVZ Leipzig, vom 30.3.2023

Wie kann eine Aufarbeitung der Veranstaltung gelingen?

Als Hauptorganisatorin fällt es mir schwer über die Veranstaltung zu berichten, die, bis zum dem rassistisch motivierten Übergriff, von einer Offenheit, großem Interesse und echtem Dialog zwischen Publikum und der Autorin geprägt war. Fast 70 Menschen waren gekommen, um Sarah Vecera zu zuhören und sich interessiert am Gespräch zu beteiligen, um ihre Wahrnehmungen im Hinblick auf Rassismus in Kirche und Gesellschaft zu hinterfragen und dazu zu lernen.

Eindrücke von der Lesung vom 23. März 2023 in der Taborkirche Leipzig:

Fanny Lichtenberger (Projekt-Raum-Kirche und Moderation), mit der Autorin Sarah Vecera, Foto: Gingko
Sarah Vecera liest aus ihrem Buch „Wie ist Jesus weiß gworden – Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus“; Foto: Gingko
Fanny Lichtenberger und Sarah Vecera, Foto: Ginkgo
Sarah Vecera liest aus ihrem Buch „Wie ist Jesus weiß gworden – Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus“; Foto: Gingko
Sarah Vecera, Autorin von „Wie ist Jesus weiß geworden“ und Inititiatorin der „Alle Kinder Bibel“

Doch alles scheint dahin, wenn eine Person es schafft in einer Kirche öffentlich die Autorin anzugreifen und sich somit Macht über den Raum, die Veranstaltung und die damit verbundenen Menschen verschafft. Es hat uns schockiert und gleichzeitig gezeigt, dass die Bedrohung von PoC auch nicht vor Kirchentüren Halt macht. Dieser Angriff ist leider kein Einzelfall in einer von Rassismus geprägten Gesellschaft auf Menschen of Colour.

Und das muss uns alle alarmieren: Wachsam zu sein für rassistische, fundamentalistische und rechtpopulistische Strömungen in Kirche und Gesellschaft; aufmerksam zu werden Veranstaltungen diskriminierungs-sensibel zu planen und somit marginalisierte Gruppen bestmöglichst zu schützen und Mitarbeiter*innen zu diesem Thema zu sensibilisieren.

Immernoch bekomme ich Rückmeldungen, wie gelungen die Veranstaltung aus der Perspektive der Teilnehmenden war und wie betroffen und schockiert sie der Übergriff gemacht hat. All das braucht Zeit der Bearbeitung in Form von Gesprächen und Beratungen.

Aber nicht nur der Übergriff macht betroffen, auch der öffentliche Umgang damit und da muss auch Kirche weiter lernen, wenn sie weiter im rassismus-kritischen Diskurs ernst genommen werden und eine gerechtere Welt mitgestalten will.

Rückblick auf den Antirassismus-Workshop mit Sarah Vecera vom 24.3.23

Kirchliche Mitarbeitende hin zu einer rassismus-kritischen Haltung zu schulen stand im Fokus des Antirassismus-Workshop, den wir am 24.3.23 mit Sarah Vecera organisierten.

Fabian N´guni, Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit aus dem BBW Leipzig, resümiert im Nachgang zum veranstalteten Antirassismus-Workshop mit Sarah Vecera vom 24.3.23:

Teilnehmende beim Antirassismus-Workshop in der Philippuskirche, Foto: Fabian N´guni
Sarah Vecera beim Antirassismus-Workshop am 24.3.23 in der Philippuskirche, Leipzig; Foto: Fabian N´guni

„Dass dieser Traum noch zu ihren Lebzeiten wahr wird, da ist sie (Sarah Vecera, Anm. der Redaktion) skeptisch. Ein rassistisches System, dass sich über 500 Jahre entwickelt hat, lässt sich nicht von heute auf morgen zu Fall bringen.“ Nicht zuletzt sind es die vielen kleinen und großen Ablenkungsmanöver, die immer wieder vom Kern der Sache ablenken. Auch auf diese sogenannten Derailling-Strategien geht Vecera am Ende des Workshops kurz ein. Eine dieser Strategien ist die Skandalisierung rassistischer Übergriffe. Diese werden als bedauerliche Einzelfälle markiert und nach der ersten „Wut, Trauer und Scham“ wieder beiseite gelegt. Die
Zeitungen berichteten ausführlich über den Angriff auf Sarah Vecera – beschrieben die Tat im Detail. Der Einladung zur Lesung folgten die Redaktionen nicht. Die Inhalte ihres Buches und ihrer Arbeit kommen in den Beiträgen nicht vor.

Fabian N´guni

Der Workshop war mit 35 Teilnehmenden aus den verschiedensten kirchlichen Arbeitsbereichen ausgebucht und die hohe Nachfrage macht deutlich, dass das Thema auch im kirchlichen Kontext eine hohe Relevanz hat und weiter bearbeitet werden muss, um Kirche und Gesellschaft hin zu einer gerechteren Welt zu mitzugestalten . So werden im Jahr 2024 von Projekt-Raum-Kirche wieder Veranstaltungen zum Thema Rassismus und Kirche geplant.

Organisiert wurde die Lesung und der Antirassismus-Workshop von Fanny Lichtenberger von Projekt-Raum-Kirche (1. v. li) gemeinsam mit Johanna Stein (2.v.l.) BBW vom Leipzig , Lucia Henneke von der Caritas (1. v. re.) und Maria Berghähnel und Ramona Baldermann von der Diakonie Leipzig (nicht im Bild), Foto: Gingko
Lucia Henneke, v.l. (Caritas Leipzig) beim Verkauf des Buches „Wie ist Jesus weiß geworden“; Foto: Gingki

Zwei Tage nach der Lesung veröffentliche Sarah Vecera folgende Videobotschaft auf Instagram zum Übergriff, die zu einer großen medialen Aufmerksamkeit und Welle der Solidaritätsbekundungen führte: https://www.projekt-raum-kirche.de/wp-content/uploads/2023/04/Video-Sarah-Vecera-2.mp4

Wir möchten ebenfalls nochmals unsere vollste Solidarität mit Sarah Vecera zum Ausdruck bringen und teilen mit ihr den Traum von einer Kirche ohne Rassismus!

Es liegt an uns allen, daran mitzuwirken, dass es kein Traum bleibt!

Zum empfehlen ist die Podcastfolge vom 15.5.2023 von dem Podcast „Stachel und Herz“, in der Sarah Vecera mit ihrer Kollegin Thea Hummel nochmal auf den Vorfall bei der Lesung eingeht und ihre Perspektive darstellt, sowie auch Ideen zur Rassismuskritik in Kirche entwickelt: